Geschichte
Kommen Sie mit auf einen Streifzug durch die Geschichte der Bahnwelt, von der Einweihung des Bahnbetriebswerks 1898 bis zur heutigen Nutzung als Museum und Verkehrsdenkmal.
Als der alte Bahnhof in Darmstadt am Steubenplatz den gestiegenen Güterverkehr nicht mehr aufnehmen konnte, wurde im Jahre 1898 „auf der grünen Wiese“ in Kranichstein ein neuer, großer Rangierbahnhof gebaut. Zur Wartung und Beheimatung der zur Bespannung der Güterzüge notwendigen Lokomotiven wurde ihm ein Bahnbetriebswerk (Bw) mit Wagenunterhaltungsabteilung angegliedert.
Im Jahre 1970 wurde der Verein Museumsbahn e. V. in Darmstadt gegründet, um einen sogenannten „Oldtimer-Zug“ auf der Odenwaldbahn als lebendige Erinnerung an die Dampflokzeit zu betreiben. Dazu wurde die Dampflok 98 812 gekauft. Die Bundesbahndirektion Frankfurt/Main lehnte den Einsatz von Dampflokomotiven in ihrem Bezirk strikt ab, weshalb die Lok in der dem Ansinnen aufgeschlossen gegenüberstehenden Bahndirektion Stuttgart beim Bw Ulm beheimatet wurde. Von dort aus wurden ab 1971 Sonderzüge auf den Strecken der Deutschen Bundesbahn in Kooperation mit den Ulmer Eisenbahnfreunden (UEF) durchgeführt.
Im Jahre 1971 wurde der erste eigene Wagen erworben und auf einem angemieteten Gleis im Lokschuppen von Darmstadt-Kranichstein untergebracht, um ihn dort betriebsfähig für die Einsätze mit der 98 812 aufzuarbeiten. Um Reservelokomotiven zur Verfügung zu haben, wurden 1972 die Dampflokomotiven 98 727 („Zuckersusi“) und 184 DEG (heute 184 DME) erworben.
Nachdem weitere Wagen und Lokomotiven in Darmstadt-Kranichstein untergebracht werden konnten, wuchs das Interesse der Öffentlichkeit an einer Besichtigungsmöglichkeit dieser Fahrzeuge. Am 30. April 1976 wurde daher die Anlage als „Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein“ als erstes reines Eisenbahnmuseum in Deutschland eröffnet. Das Museumskonzept sah vor, eine Fahrzeugsammlung zusammenzustellen, die einen Querschnitt durch die geschichtliche und technische Entwicklung der Eisenbahn gibt. Das ehemalige Bw Kranichstein sollte dabei mit seinen Betriebs- und Werkstattanlagen als Freilichtmuseum restauriert werden. Das Konzept sah auch vor, dass immer einige Fahrzeuge der Sammlungen betriebsfähig sein sollten, um den Bahnbetrieb der Dampflokzeit im wahrsten Sinne des Wortes „erfahrbar“ zu machen.
Als die Deutsche Bundesbahn 1977 ein Verbot des Einsatzes von Dampflokomotiven erließ, konnten Dampfzüge nur noch auf sogenannten Privatbahnen fahren. Deswegen – und auch um eine Streckenausstattung der Dampflokzeit mit Telegrafenleitungen, Kurbelschranken und Formsignalen zu ermöglichen – wurde eine eigene Museumsstrecke benötigt. Die Strecke Darmstadt Ost – Bessunger Forsthaus konnte im Oktober 1984 als eigene Eisenbahnstrecke des Eisenbahnmuseums eröffnet werden.
Das 100-jährige Jubiläum der Straßenbahn in Darmstadt ließ 1997, in Erinnerung an die Dampf-Vorortbahn als deren Vorläufer, den ersten dampfgeführten Straßenbahnzug Deutschlands wieder entstehen, der unter dem Namen „Feuriger Elias“ bekannt wurde. Hieraus entstand ein Jahr später auch die „ARGE Historische HEAG-Fahrzeuge e. V.“, die heute einen Bestandteil des Verbandes „Bahnwelt Darmstadt-Kranichstein“ darstellt.
Von der Deutschen Bahn AG wurde 2002 der Rangierbahnhof Darmstadt-Kranichstein stillgelegt und zum Abriss vorgesehen. Damit das historische Bahnbetriebswerk nicht ohne den eigentlichen Anlass seiner Existenz, nämlich den Rangierbahnhof, erhalten wird, wurde 2003 das Konzept des Museums fortentwickelt und um das Projekt „Industrie- und Verkehrsdenkmal Rangierbahnhof Kranichstein“ erweitert.
2010 konnte im Eisenbahnmuseum mit einer großen Fahrzeugparade das 175-jährige Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland gefeiert werden. Um die Entwicklung der Eisenbahn insbesondere im Raum Darmstadt gemeinsam zu erhalten, zu präsentieren und für zukünftige Generationen erlebbar zu machen, schlossen sich außerdem Anfang der 2010er Jahre die Darmstädter Eisenbahnvereine zum Dachverband „Bahnwelt Darmstadt-Kranichstein“ zusammen.
Die Eisenbahninfrastruktur der Bahnwelt Darmstadt-Kranichstein umfasst das gesamte Bahnbetriebswerk Kranichstein, einschließlich der ehemaligen Güterwagenausbesserung – einer Außenstelle des Ausbesserungswerks Darmstadt – zur Beheimatung der Wagensammlung. Auf der Museumsstrecke vom Bahnhof „Rosenhöhe“ (Darmstadt Ost) bis zum Haltepunkt „Bessunger Forsthaus“ wurden bis 2015 regelmäßig Sonderfahrten mit historischen Dampfzügen veranstaltet. Sobald es die Umstände wieder zulassen, soll der Fahrbetrieb wieder aufgenommen werden. Neben der Präsentation der Fahrzeuge und sonstigen eisenbahnbezogenen Sammlungen (u. a. Uniformen, Fahrkarten, Oberbau) werden in den Werkstätten des Museums insbesondere auch „ausgestorbene“ Techniken (z. B. Niettechnik, Reparaturen kupferner Lokfeuerbüchsen usw.) betrieben und an kommende Generationen weitergegeben. Es werden Sonderfahrten, Betriebstage und andere Betriebsveranstaltungen im Museum durchgeführt. Die ARGE HEAG bietet mehrmals im Jahr Sonderfahrten mit der Dampfstraßenbahn „Feuriger Elias“ und elektrischen Straßenbahnen an. Eine beliebte Veranstaltung ist die historische Grenzkontrolle am Darmstädter Waldfriedhof, die an die Zeit der französischen Besatzung Griesheims erinnert. Außerdem kann viermal im Jahr (u. a. zu den Bahnwelttagen) das Depot mit den historischen Straßenbahnen besichtigt werden.
Selbstverständlich entwickelt sich die Bahnwelt ständig weiter. Eines unserer größten Projekte ist derzeit die Wiedererrichtung der von der Bahn abgetragenen zweite Lokschuppenhälfte, um möglichst vielen der historischen Fahrzeuge ein schützendes Dach bieten zu können. Darüber hinaus möchten wir bald wieder regelmäßig Dampfzugfahrten auf unserer Museumsstrecke und auf Gleisen der Deutschen Bahn AG anbieten.