Im Rahmen der monatlichen Vortragsabende gab Michael Sailer am 03.07.2024 einen ausführlichen Einblick in die auf der ursprünglichen Main-Neckar-Bahn (MNB) eingesetzten Dampflokomotiven.
Der Bau der Strecke zwischen Frankfurt am Main und Heidelberg (mit Seitenbahn nach Mannheim) wurde am 25.02.1843 per Staatsvertrag zwischen der Freien Stadt Frankfurt und den Großherzogtümern Hessen und Baden beschlossen. 1846 erfolgte die Eröffnung.
In der Anfangszeit wurde die Bahnlinie mit 18 Lokomotiven der Fabrikate Kessler sowie Sharp und insgesamt 246 Waggons bedient. Fünf der Kessler-Loks wurden 1855 bis 1865 in 1B-Güterzugloks umgebaut, 1865 wurden auch an den übrigen Kessler-Maschinen der Achsstand vergrößert und eine Neubekesselung vorgenommen. Gleichzeitig wurden auch vier der Sharp-Dampfloks zu Güterzugloks umgebaut, vier weitere wurden zu leistungsfähigeren 1B-Personenzugloks optimiert.
1855 erhielt die Flotte Verstärkung in Form zweier Loks mit Achsfolge 2A der Bauart Crampton, welche gut 10 Tonnen mehr auf die Schiene brachten. In Sachen Brennstoff ging man ab 1856 neue Wege. Statt der bisherigen Feuerung mit Coaks wurde nun auf Steinkohle gesetzt. Und auch beim Komfort der Reisenden gab es zu dieser Zeit Verbesserungen: Die vierte Klasse (Stehplätze) wurde abgeschafft. Um dem gestiegenen Güteraufkommen gerecht zu werden, wurden 1860 und 1869 fünf weitere 1B-Güterzugloks beschafft und 1862-1864 für den Schnellzugverkehr sechs 1A1-Loks von Henschel.
Nach dem Deutsch-Deutschen Krieg 1866 änderten sich die Besitzverhältnisse der MNB. Preußen wurde Teileigentümer und alle im Norden an die MNB anschließenden Bahnen waren vollständig unter der Kontrolle der Preußens. Der Verkehr auf der Strecke wuchs weiter und so wurden ab 1869 weitere Lokomotiven beschafft. Acht Bt-Rangierdampfloks, lokal hergestellt in der Maschinenfabrik Darmstadt, 16 1B-Personenzugloks von MBG Karlsruhe, 19 C-Güterzuglokomotiven aus der Maschinenfabrik Esslingen und sechs „starke“ 1B-Schnellzugloks von Henschel.
Zum Ende des Betriebs der Main-Neckar-Bahn 1901 verfügte die Eisenbahngesellschaft über 94 Lokomotiven und 1.187 Wagen. Das Fahrgastvolumen war von 810.000 auf über sieben Millionen jährliche Fahrgäste angestiegen. Interessant ist ebenfalls die Entwicklung der Fahrzeiten im Fernverkehr. Brauchte ein Schnellzug 1855 noch 2h 5min für die Strecke Frankfurt – Heidelberg, konnte diese bereits 1905 auf 1h 28min reduziert werden. Heutzutage benötigt ein ICE/IC noch 53 Minuten.
Der Vortrag war profund recherchiert und mit den zahlreichen Abbildungen und Modellen nicht nur hoch informativ, sondern auch sehr unterhaltsam gestaltet. Dadurch stieß er beim Publikum auf reges Interesse. Herr Sailer zeigte in seiner Präsentation sehr schöne und historisch wertvolle Darstellungen der Lokomotiven. Einen regionalen Bezug zur Bahnwelt hatte das behandelte Thema wegen der Lage Darmstadts an der MNB. Das Museum verfügt außerdem über ein detailreich gestaltetes H0-Modell des ehemaligen Darmstädter Main-Neckar-Bahnhofs. Vielen Dank an den Referenten und das interessierte Publikum!
Bildquelle: Vortrag Michael Sailer
Der nächste Vortragsabend findet am 07. August 2024 statt. Udo Przygoda stellt das Frankfurter Feldbahnmuseum vor und blickt auf dessen 50jährige Geschichte zurück. Der Eintritt ist frei. Beginn 20 Uhr.